Es gibt Orte in Tirol, die haben es in der Corona-Krise zu trauriger Berühmtheit gebracht. In der Tiroler Ferienregion Wilder Kaiser hat man indes keine Angst vor dem Ischgl-Syndrom. Denn in der grenznahen Region setzt man schon lange auf Nachhaltigkeit und einen Tourismus abseits des Massenbetriebs.
Die Abenteuer-Magazine haben sich mit Lukas Krösselhuber, Chef des Tourismusverbands Wilder Kaiser, über die Zeit während und nach der Corona-Krise unterhalten.
Wie geht’s den Menschen in der Region in der Coronakrise? Sitzen Sie schon auf Kohlen, dass es wieder los geht?
Lukas Krösselhuber: "Mein Eindruck ist, dass die Menschen am Wilden Kaiser die Situation sehr gelassen und “naturnah” erlebt bzw. gemeistert haben. Aber jetzt freuen uns natürlich sehr, dass es in Kürze wieder los geht und am 15. Juni* auch die Grenze zu Deutschland wieder aufgeht." *Anmerkung der Redaktion: Die Grenze wurde kurzfristig bereits am 4. Juni wieder geöffnet.
Wie versuchen Sie, die wirtschaftlichen Folgen der Krise für die Tourismusbranche der Region abzumildern?
Lukas Krösselhuber: "In so einer Situation gilt es kreativ und flexibel auf die geänderten und sich immer noch ändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. Wir haben sofort konkrete Maßnahmen wie die Umbuchungsgarantie oder die Durchführungsgarantie für das Aktivprogramm im Sommer gesetzt. Auch unser Marketing haben wir sofort auf die aktuelle Situation angepasst. Wie stark die Krise die einzelnen Unternehmen trifft werden wir wohl erst im Herbst wissen. Dass in Krisenzeiten gerade in Familienbetrieben alle zusammenhelfen ist sicher ebenso ein Vorteil wie die gute Vernetzung vor Ort zur Gemeinde, zur Bank im Ort oder auch zum Tourismusverband."
Nicht zuletzt in Tirol gibt es ja Orte, die spätestens mit der Coronakrise zu einem zweifelhaften Ruf gekommen sind (Stichwort: Massentourismus). Was setzt die Region Wilder Kaiser da entgegen?
Lukas Krösselhuber: "Für uns ist Tourismus kein Selbstzweck sondern ein Mittel zum Zweck. Wir wollen, dass wir durch den Tourismus erreichen, dass es allen Menschen ökologisch, sozial und ökonomisch besser geht. Deshalb haben wir schon Jahren damit begonnen, unser Konzept dementsprechend zu adaptieren, um alle diese Bereiche bedienen zu können. Das heißt: Wenn jetzt vielfach eine „Richtungsänderung“ oder ein „sich neu erfinden“ der Tourismusbranche gefordert wird, sind wir froh, dass wir diesen Weg schon längst vor Corona eingeschlagen haben – und nun auch Bestätigung dafür erfahren."
Urlauber aus Deutschland sind ja in der grenznahen Region Wilder Kaiser eine wichtige Zielgruppe. Wie halten Sie die potenziellen Gäste derzeit bei Laune?
Lukas Krösselhuber: "Derzeit sind wir mit allen Wilder Kaiser-Fans besonders intensiv im Kontakt, vor allem über die sozialen Medien. Es tut sehr gut zu hören, wie sehr sich unsere Stammgäste auf den nächsten Urlaub bei uns freuen und es kaum erwarten können, bis die Reisefreiheit wiederhergestellt ist. Und bei den Urlaubern aus grenznahen Regionen in Deutschland punkten wir in diesem Jahr sicher ganz besonders mit unserer geografischen Nähe, der Weitläufigkeit unserer Natur und nicht zuletzt mit dem Vertrauen in unser Gesundheitssystem."
Wie könnte der Urlaub nach Öffnung der Grenzen wieder aussehen? Worauf wird man verzichten müssen? Wie kann man für Sicherheit sorgen, ohne dass Urlaubsgefühl zu beeinträchtigen?
Lukas Krösselhuber: "Abgesehen von einigen Großveranstaltungen müssen unsere Gäste in diesem Sommer auf nichts verzichten: Die Bergbahnen und Badeseen haben geöffnet, die Wander- und Radwege sowieso. Auch die geführten Wanderungen und das Familienprogramm finden statt. Hier hat man heuer sogar noch individuellere Betreuung weil wir die Gruppengröße auf maximal 10 Personen reduziert und dafür die Termine verdoppelt haben. Auch die Hütten und die Gasthäuser in den Orten sind geöffnet und haben sich organisatorisch bereits gut auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt. Sicherheit für die Gesundheit und „Urlaubsgefühl“ schließen sich also nicht aus. Und gerade jetzt ist Zeit, die man draußen in der Natur verbringen und genießen kann, so wertvoll wie selten zuvor."
Gibt es weitere – etwa behördliche oder staatliche – Maßnahmen, die in den österreichischen Tourismusregionen zum Einsatz kommen, um bestmöglich mit der Situation umzugehen?
Lukas Krösselhuber: "Die Region Wilder Kaiser ist eine von fünf Pilotregionen in ganz Österreich, in denen die MitarbeiterInnen der Beherbergungsbetriebe – vor allem jene, mit viel Gästekontakt wie etwa an der Rezeption oder im Service – einmal wöchentlich vorbeugend auf Covid-19 getestet werden. Wir helfen hier als Region gerne mit, das in der Praxis zu erproben, bevor diese regelmäßigen Tests ab Juli in allen österreichischen Tourismusregionen umgesetzt werden. So sind unsere Hotels und Privatvermieter schon früh mit diesen Routinen vertraut und können ihren Gästen noch mehr Sicherheit und Wohlbefinden im Urlaub bieten."