Markus Pucher: "Der Körper ist nicht so wichtig"

Im Winter free solo auf den Cerro Torre

von Steffen Müller

"Das letzte Jahr ist wie im Flug vergangen und die Zeit für mich ist wieder gekommen, in die Wildnis aufzubrechen. Es wird auf jeden Fall ein großes Abenteuer und mein Ziel ist es gesund wieder nach Hause zu kommen", schreibt Markus Pucher am 16. August auf seiner Facebookseite.

Ein paar Wochen zuvor sitzt der 40-jährige Kärntner am Stand seines Ausrüsters Direct Alpine auf der Outdoor-Messe in Friederichshafen. "In Patagonien erlebt man noch ernsthafte Abenteuer. Die Wildnis ist dort wirklich noch wild, so wie bei uns in den Alpen vor über 50 Jahren. Hier kann man den ursprünglichen Alpinismus-Gedanken leben", sagt Pucher.

In Gedanken ist der Bergführer schon auf der anderen Seite des Globus, hat vor seinem geistigen Auge die steilen Granitwände des Cerro Torre und die grandios-spröde, wingepeitschte Landschaft an der argentinisch-chilenischen Grenze. Pucher hat im Januar 2013 den Cerro Torre free-solo  also ohne jegliche Sicherung  bestiegen. Als zweiter Mensch überhaupt auf der Ferrari-Ragni-Route und als erster auf dieser speziellen Linie.

Am 18. August ist er wieder ins Land seiner Träume gestartet  diesmal in den südamerikanischen Winter - und will die erste Alleinbegehung des Cerro Torre in der kalten Jahreszeit schaffen. Der steil aufragende, 3128 Meter hohe, Berg gilt wegen der extremen Wetterbedingungen und seiner Steilheit als einer der schwersten Gipfel überhaupt  und als einer der schönsten. Pucher will "Grenzen verschieben." Seine eigenen und allgemein gültige: "Man sieht erst, dass etwas möglich ist, wenn es einmal jemand gemacht hat." Eine Free-Solo-Begehung des Cerro Torre im Winter hat noch keiner geschafft: "Der Trend geht immer mehr zu schweren Routen in alpinem Gelände", sagt Pucher, "es ist heute extrem schwer, noch etwas Besonderes zu machen, wenn schon Zwölfjährige in der Kletterhalle im zehnten Grad klettern."

Eine Menge Geduld

2015 hat es Markus Pucher schon einmal probiert und musste wegen der ungünstigen Wetterbedingungen umdisponieren. "Ich bin nicht fixiert, wenn es nicht geht, dann geht es eben nicht." Diese Stärke, sich auch einmal eingestehen zu können, dass gerade eben etwas nicht möglich oder nicht zu verantworten ist, zeichnet gute Alpinisten aus. Pucher sagt von sich: "Ich bin nicht der beste Kletterer, ich kann wahrscheinlich keine Disziplin, die für dieses Vorhaben nötig ist, am besten. Was ich aber kann: ich kann in allen Situationen umsetzen, was ich zu leisten im Stande bin." Oder anders ausgedrückt: "Der Körper ist nicht so wichtig, der Kopf zählt."

Ein verantwortungsloser Draufgänger ist Pucher nicht. Der Vater von zwei Töchtern hat das, was man als Bodenhaftung bezeichnet: "Leichtsinn geht nicht lange gut. Entscheidend ist, dass man sich immer bewusst ist, dass man am Gipfel noch gar nichts erreicht hat. Der Abstieg ist häufig noch schwieriger und erst, wenn man den geschafft hat, ist man wirklich am Ziel", sagt der Kärntner.

So ein Projekt wie der Cerro Torre im Winter braucht zuallererst eine Menge Geduld, eine Menge langer Abende, bis die Verhältnisse passen: "In den einsamen Nächten im Zelt hat man eine Mange Zeit zum Nachdenken, was ich als sehr angenehm empfinde. Wenn es doch einmal ganz übel wird, habe ich noch einen guten Whisky im Gepäck."

Ganz allein ist man aber auch im Winter am anderen Ende der Welt nicht. Schließlich tummeln sich in der grandiosen Natur Patagoniens noch ein paar Gleichgesinnte. So kam übrigens auch der Ausrüstervertrag mit Direct Alpine zustande. Auf dem 3406 Meter hohen Fitz Roy im Nationalpark Los Glaciares traf Pucher auf Jindra Hudecek, einen der Inhaber der Firma. "Die Chemie zwischen uns hat gleich gestimmt", sagt Pucher.

Jetzt hofft der mehrfache österreichische Meister im Armdrücken, auch das ist Pucher, dass die äußeren Bedingungen ihm keinen Strich durch die Rechnung machen.