Zwischen Himmel, Hölle und dem Ortler

Der Aidlinger Johannes Moll läuft beim Transalpine Run in knapp 35 Stunden von Fischen im Allgäu bis an den Ortler

von Steffen Müller

Sieben Tage zwischen Himmel und Hölle  oder eher umgekehrt. Dass der Transalpine Run kein Zuckerschlecken wird, weiß der Aidlinger Johannes Moll schon lange vor dem Start. Sonst hätte er sich gar nicht angemeldet. Die ersten Etappen der Alpendurchquerung von Fischen im Allgäu bis Sulden am Ortler, sind allerdings noch eine Nummer härter als erwartet, eher zwei.

Das liegt auch daran, dass vom Zweier-Team mit dem Aidlinger Johannes Moll und dem Allgäuer Sebastian Dämmig schon nach der zweiten Etappe nur noch der Einzelkämpfer Moll übrig bleibt. "Nach der Ulmer Hütte kommt der rasende Downhill runter nach St. Anton. Rasend ist da leider nichts. Immer mehr baut Sebastian wegen seiner Erkältung ab, immer mehr macht ihm der eigene Körper klar, dass Schluss ist. Und immer mehr wird mir bewusst, dass das Team für dieses Mal Geschichte sein wird."

"Geile Trails, widerlicher Asphalt"

Eine gute Woche später sitzt Moll mit seiner Frau Yvonne entspannt im Café Frechdax in Böblingen. Er hat sich durchgebissen  auch als Einzelkämpfer: "Die nächsten Etappen waren brutal hart", sagt er. Die Alpen gibt es eben nicht geschenkt, schon gar nicht allein. Nach dem Auftakt von Fischen im Allgäu nach Lech am Arlberg, bei dem die Route wegen Schnee und schlechtem Wetter verlegt werden muss, der zweiten Etappe von Lech nach St. Anton am Arlberg, bei der Moll sein Laufpartner abhanden kommt, geht es weiter von St. Anton nach Landeck. "Der Tag beginnt mit Regen. Danach ist alles dabei: Fluss begleitender, ekliger Schotterradweg, geile Trails, widerlicher Asphaltdownhill und Matschrutschbahnen", sagt Moll.

Was Trailläufer und Mountainbiker gleichermaßen verabscheuen, sind langweilige, breite Forstwege. Schließlich geht es in beiden Disziplinen darum, schwierige Passagen zu meistern und sich voll auf den Pfad und seine Herausforderungen zu konzentrieren. Eine breite Forstautobahn lässt die Etappen zur reinen Ausdauerbolzerei verkommen.

"Ich wollte nur heulen"

Von diesen Abschnitten gibt es beim Transalpine Run nicht allzu viele. Bei der Königsetappe von Landeck nach Samnaun aber doch einige: Überraschend schlechtes Wetter, eine schier endlose, leicht ansteigende Strecke bis zum Verpflegungspunkt 3 und Schmerzen an der Achillessehne machen die Etappe zum Höllentrip für Johannes Moll: "Ich dachte ans Aufhören, wollte mich einfach hinsetzen, heulen und mit der Seilbahn ins Erlösung verheißende Tal schweben." Düstere Gedanken, ausgerechnet dort, wo es sich normalerweise das feierwütige Pisten-Party-Volk im Skigebiet von Ischgl gut gehen lässt. Doch der Aidlinger beißt sich durch und kommt völlig fertig nach 45,5 Kilometern, 2908 Höhenmetern, 6 Stunden und 38 Minuten im Schweizer Zollfrei-Gebiet Samnaun an.

Aufwärts oder raus

An Tag 5 gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es geht aufwärts, oder der Transalpine Run 2017 ist für Johannes Moll beendet. Auf dem Programm stehen 39,4 Kilometer und 2244 Höhenmeter von Samnaun nach Scuol. Die Sonne lacht und auch bei Johannes Moll verziehen sich die dunklen Wolken. "Es tat weh, wurde aber nicht schlimmer. Zudem stellte ich fest, dass langsam Gehen nichts brachte, es schmerzte genauso stark. Also Gas geben, dranbleiben." Die Zähigkeit wird belohnt. Nach dem 1. Verpflegungspunkt wird die Strecke immer attraktiver. "Wir jagten über herrliche Trails, zwei hohe Pässe und durch traumhaft schöne Landschaften. Herr der Ringe lässt grüßen, Gandalf der Weiße hätte das nicht besser zaubern können", sagt Moll. Der Knoten ist geplatzt.

Die Seele frohlockt

Auf dem Programm stehen jetzt noch zwei Tage mit atemberaubenden Abschnitten. Zunächst geht es von Scuol nach Prad am Stilfser Joch. Höhepunkt des Tages ist die Passage durch die Ulina-Schlucht. "Welch ein Privileg dort laufen zu dürfen. Und es lief, meine Beine liefen, mein Herz pumpte, mein Körper wollte. Nach der Ulina-Schlucht begann ein genialer Abschnitt über einen wunderschönen Höhenweg. Ich schwebte über den Trail, meine Seele frohlockte, von der Ferne grüßte der Ortler herüber als wollte er sagen: Ja, Du schaffst das." Johannes Moll kommt ganz knapp hinter dem führenden und sehr souveränen Mixed-Team ins Ziel. Nur noch eine Etappe trennt den 35-Jährigen vom Zieleinlauf, und Moll ist sich sicher: "Ja verdammt, ich werde das Ding zu Ende rocken."

Durch die Herde, auf die Scharte

Von Prad nach Sulden am Ortler gilt es noch einmal 31,2 Kilometer und 2591 Höhenmeter zu packen  und den höchsten Punkt des Transalpine Run 2017, die 2886 Meter hohe Tabarettascharte unterhalb der gewaltigen Gletscherabbrüche des Ortlers zu erklimmen. Allerdings ist die Wettervorhersage zu optimistisch, es regnet. An der Prader Alm geraten die Läufer noch in einen Viehscheid  und müssen sich durch die leicht irritierte Kuhherde arbeiten. Trotzdem: Mit jedem Meter läuft es besser, Moll schluckt einen Läufer nach dem anderen.

"Dann folgt der magischste Moment des Transalpine Runs." Bergwinde pusten die Szenerie frei. Bei Kilometer 269,5 wartet der ausgeschiedene Laufpartner Sebastian Dämmig auf den Aidlinger. Nun wieder als Team vereint machen sich der Allgäuer und der Aidlinger auf den Weg ins Ziel. Die Zeit von Johannes Moll hätte an diesem Tag zu einem 8. Platz in der Männerkategorie gereicht. "In diesem Moment zählte für mich aber nur mein eigener Sieg. Es war ein Sieg gegenüber jedem Zweifel. Es war ein Sieg über den inneren Schweinehund."

Im Ziel wird Johannes Moll von seiner Frau Yvonne erwartet  und von seinen größten Fans: den Schwiegereltern, die den Transalpine Run als Zuschauer von Anfang an begleitet haben.

Infos

Die Etappen

Fischen (D)  Lech am Arlberg (A)
(41,6 Kilometer/1753 Höhenmeter Aufstieg/ 4 Stunden, 20 Minuten)

Lech (A)  St. Anton am Arlberg (A)
(26,8/1827/3:52)

St. Anton am Arlberg (A)  Landeck (A)
(43,7/2185/5:15)

Landeck (A)  Samnaun (CH)
(45,5 /2908/6:38)

Samnaun (CH)  Scuol (CH)
(39/2244/5:15)

Scuol (CH)  Prad am Stilfserjoch (I)
(46,3/1750/4:51)

Prad (I)  Sulden am Ortler (I)
(31,2/2691/4:43)

Gesamt

Strecke: 274,5 Kilometer
Höhenmeter Aufstieg: 15 258
Gesamtzeit: 34:57,41 Stunden

Mehr über die Laufprojekte von Johannes Moll und das Team vom Team Inov-8/Foxletics Trampelpfadlauf.de unter www.foxletics.com im Netz.