Die Muffa macht das Aroma

Montafon: Sure Kees gehört zu den besonderen Spezialitäten des Tals

von Hansjörg Jung

„Das ist schon etwas für Liebhaber“, sagt Oswald Ganahl und zeigt auf den gereiften Sure Kees. Der Landwirt aus Bartholomähberg ist Obmann des Vereins Bewusst Montafon, der sich unter anderem um die Spezialitäten des Tals kümmert.

Und dazu gehört der Sure Kees allemal. Dieser Magermilch-Käse ist ein Urtyp der alpinen Käsewirtschaft. Vermutlich schon die Kelten haben die frische Milch stehen lassen und Sauermilchkäse hergestellt. Im Montafon ist die Herstellung des Käses seit dem Jahr 1240 verbürgt, als in einer Urkunde der Churer Domkapitels nicht nur das Montafon genannt wird, sondern auch die Textpassage, dass „Jacobus, der Priester von Satteins und sein Bruder Rudolphus zinsen jährlich zehn Käse (üblichen) Wertes...“.

Dies muss sich um einen Sauermilchkäse gehandelt haben, denn aus Lab hergestellter Süßkäse kam im gesamten Alpenraum erst im 17. Jahrhundert auf. Vorher war das Know-how, die Milch mit tierischem oder pflanzlichem Lab gerinnen zu lassen einfach nicht vorhanden. Oder, was näher liegt: Kälber, aus deren Mägen sich das Lab gewinnen ließ, wurden auf den Almen einfach nicht geschlachtet. Kühe lieferten wesentlich mehr Fleisch – und vor allem Milch.

Zwar sind die mit Lab hergestellten Käsesorten in den Sennhütten der Alpen mittlerweile längst in der Überzahl, doch ganz verschwunden ist der Sauermilchkäse nicht. Da gibt es beispielsweise den Tiroler Graukas, im Toggenburg den Bloderchäs und im Montafon eben den Sure Kees.

14 Montafoner Alpen produzieren pro Jahr rund 650 Tonnen des aromatischen Käses. Thomas Tschofen auf der Alpe Verbella, auf ungefähr halbem Weg zwischen Kops-Stausee und der Heilbronner Hütte in der Verwall-Gruppe, ist einer dieser Sennen. Er produziert den Käse noch auf traditionelle Art. Das heißt: Er säuert die Milch nicht durch den Zusatz von gekauften Milchsäurebakterien im Edelstahltank, sondern im Holzzuber. Den kann man waschen wie man will, in den Poren stecken immer noch genügend Bakterien, die die Magermilch sauer machen.

Zuvor bleibt die frische Milch einen Tag stehen, damit sich der Rahm absetzen kann. Der dicke Rahm wird abgeschöpft und zu Butter verarbeitet. Ein Geheimtipp übrigens. So wie diese Butter schmeckt kaum eine andere. Sie kommt nur so gut wie nicht in den Handel – man muss sie schon selbst auf der Alm abholen.

Die Sauermilch wird über dem Feuer in einem Kupferkessel erwärmt, bis sich der Bruch von der Molke trennt und aufsteigt. In sogenannten Käskern, zylinderförmigen, gelochten Behältern aus Holz entwässert der Käse und wird zum festen Laib. Der kommt anschließend zunächst einmal in den Keller, wo er rund drei Wochen lang reifen kann. Anschließend wird der Käse gewaschen und mit einer Mischung aus Paprika und Salz eingerieben.

Danach scheiden sich die Geister. Die einen schwören auf den gereiften Käse. Dabei entsteht die sogenannte Muffa, eine speckige Schicht, die mit zunehmender Reifung immer tiefer in den Käse dringt und ihm ein besonders intensives Aroma verleiht. Junger Surer Kees ist von der Konsistenz einem griechischen Schafskäse nicht unähnlich, schmeckt ein wenig säuerlich, aber eben nicht nach Schaf. Eine Delikatesse auch für Oswald Ganahl, der ihn so gerne gewürfelt mit Salat isst.
Doch wer jungen Sure Kees frisch von der Alpe möchte, muss sich noch ein wenig gedulden. Es wird wohl Sommer werden müssen, bis das Montafoner Braunvieh auf knapp 2000 Metern Höhe die gute Milch für den ersten Laib gibt.