Hauptgewinn am Gipfelkreuz

Skitouren sind in dieser Saison im Pustertal und im Ahrntal ein besonderes Vergnügen

von Steffen Müller

Lautlos gleiten die Ski durch den verschneiten Wald. Immer wieder löst sich der trockene Schnee ohne Vorwarnung von den Baumwipfeln, rieselt glitzernd zu Boden und sorgt für eine mehr oder weniger willkommene Abkühlung beim Aufstieg. Zumindest wenn die Kristalle ihren Weg in den Jackenkragen finden. Weit und breit ist kein Mensch unterwegs.

Kein Wunder  auf der Fahrt zum Parkplatz bei Ellen oberhalb von St. Lorenzen braucht man an diesem Morgen Schneeketten und die Einheimischen, die diese Tour kennen, sind bei der Arbeit.

Die Zeit spielt für uns

Die Skitour auf das Astjoch (2194) in Südtirol  genau zwischen den schroffen Dolomitenriesen im Süden und dem Alpenhauptkamm mit der Rieserfernergruppe im Norden  ist ein Geheimtipp und vor allem bei hoher Lawinengefahr eine relativ sichere Unternehmung, die mit einem grandiosen Panorama belohnt wird: "Von dort hat man einen 180-Grad-Blick", sagt Agnes Innerhofer, die uns die Tour empfohlen hat. Sicherheit ist an diesem Tag ebenfalls wichtig. Es hat über Nacht 40 Zentimeter geschneit  Lawinenwarnstufe 3 (erheblich), teilweise 4 (groß) auf der bis 5 reichenden Skala.

Eigentlich wäre Agnes Innerhofer gern mit von der Partie. Doch eine Grippe bremst die begeisterte Mountainbikerin und Skitourengeherin aus, die mit ihrer Schwester Edith das Hotel Innerhofer in Gais im Tauferer Ahrntal führt. So bewegen wir uns auf den Tourenski alleine in Richtung Walder Alm. Auf dem Heuschober an der Aufstiegsspur liegt weit mehr als ein Meter Schnee und es schneit munter weiter. Dabei hat der Wetterbericht für den Nachmittag Besserung vorhergesagt. Die Zeit spielt also für uns.

Das spricht ganz klar für eine Rast. Es gibt wunderbare Buchweizentorte und Kaffee zum Aufwärmen. Heller wird es allerdings nicht. Trotzdem geht es weiter Richtung Gipfel. Jetzt über freies, leicht kupiertes Gelände. Die Schneeverhältnisse sind grandios, so einen guten Winter gab es in Südtirol schon lange nicht mehr. Am Horizont wird es langsam heller  und ganz hinten ist die Sonne zu erahnen. Weiter geht es bergauf. Die letzten 200 Höhenmeter stehen an und es wird immer freundlicher. Das Gipfelkreuz, unser Ziel, ist in Sichtweite. Wir machen einen großen Bogen um die Wechte unterhalb des Gipfels und sind am Ziel  genau zur richtigen Zeit.

Fantastische Stimmung

Die Wolkendecke reißt auf  oder besser, sie verabschiedet sich in Richtung Tal. Die Stimmung ist fantastisch. Der frische Schnee glitzert unter den Sonnenstrahlen, die langsam aber sicher die Oberhand gewinnen. Der Alpenhauptkamm ist praktisch schon wolkenfrei, im Süden recken die ersten Felsformationen der Dolomiten ihre Spitzen aus dem Wolkenmeer. Es sind diese Tage, von denen man am Anfang des Skitourenwinters träumt.

Der Gipfel ist weder berühmt noch schwierig. Doch wir sind zur rechten Zeit am rechten Ort. Völlig allein. Bizarre Wolkenformationen, ein ganz besonderes Licht und völlig unberührter Schnee zaubern eine fast schon unwirklich schöne Kulisse. Exklusiver geht es nicht. Am Horizont sind zwei weitere Tourengeher zu erahnen. Die haben aber ein anderes Ziel im Visier.

Unverspurter Pulver

Wir genießen noch das Panorama und freuen uns auf eine pulvrige Abfahrt im unverspurten Schnee. Die hält, was sie verspricht. Vor allem in den etwas steileren Passagen kommt pure Freude auf. Auf dem gegenüberliegenden Bergrücken geht es nicht ganz so beschaulich zu. Am Kronplatz tummeln sich die Skifahrer auf den großzügigen Pisten. Das ist zweifellos auch ein Vergnügen. An diesem Tag möchte aber keiner von uns tauschen.

Auf der Abfahrt geht sich noch eine Südtiroler Käseplatte in der Walder Alm aus, ehe es langsam aber sicher zurück ins Hotel geht. Dort foltern wir die Hotelchefinnen Agnes und Edith mit den Bildern dieses unvergesslichen Tages. Das Leben ist manchmal ungerecht. Oder, wie es so schön heißt: "No friends on Powderdays". Trotzdem gibt es zur Stärkung für uns nicht nur eine stärkende Marende direkt nach der Tour, sondern auch ein wunderbares Vier-Gang-Menü am Abend.

Da aber auch kleine Sünden bestraft werden  meist sofort  schickt uns Agnes Innerhofer am nächsten Tag mit ihrem Mann Manfred Zöggeler auf Tour. Der ist topfit und wäre mit uns direkt von der Hoteltür losgelaufen. "Das geht gut. Der Schnee reicht locker." Der Schnee sicher. Unsere Kraft eventuell nicht. Wir entschieden uns für das großzügige Angebot, mit dem hoteleigenen Kleinbus die ersten 600 Höhenmeter "hinaufgeshuttelt" zu werden. 1000 Höhenmeter scheinen uns im Aufstieg völlig ausreichend. Bei der Abfahrt nehmen wir liebend gern die vollen 1600 Tiefenmeter mit.

Ein seltenes Vergnügen

Vom kleinen Örtchen Tesselberg geht es entlang des Tesselbergbachs hinein ins Rieserfernergebirge und hinauf bis zur Tesselberger Alm. Noch halten der Böblinger und der gebürtige Allgäuer, den es beruflich Richtung Stuttgart gezogen hat, mit. Nach der kurzen Pause an der Tesselberger Alm legt Manfred Zöggeler einen Gang zu  und die Gäste von der Nordseite der Alpen bauen rapide ab. Als wir am Gipfel des Schönbichl (2452 Meter) ankommen, streckt uns unser Begleiter schon lächelnd eine heiße Tasse Tee entgegen  im sicheren Wissen, dass sich die Anstrengung an diesem Tag mehr als gelohnt hat.

Zwar versperren uns Wolken die Sicht auf die umliegenden Gipfel, doch verspricht der Schnee eine traumhafte Abfahrt  über satte 1600 Höhenmeter. "Die Tour auf den Schönbichl ist nur selten möglich. Der Gipfelhang ist in vielen Wintern abgeblasen", sagt Manfred. Dieses Jahr ist er perfekt. Nach dem Ablegen der Steigfelle beginnt das Vergnügen im feinsten Powder. Erst über weite Hänge, dann durch einen lichten Latschenhang und weiter unten schließlich entlang der Aufstiegsspur am Bach entlang.

Vom Ausgangspunkt in Tesselberg geht es weiter in Richtung Tal. Über einen breiten Forstweg geht es durch den verschneiten Wald in Richtung Gais  bis fast vor die Hoteltür. Inzwischen ist auch die Sonne da. Traumhaft.

Infos

Das Hotel Innerhofer in Gais ist ein idealer Ausgangspunkt für Skitouren. Man hat die freie Wahl zwischen Dolomitenklassikern, Touren am Alpenhauptkamm und den sanften Gipfeln dazwischen. So kann man sich die perfekten Verhältnisse raussuchen. Zum Vormerken: Vom 30. Januar bis 3. Februar 2019 veranstaltet das Hotel Innerhofer in Zusammenarbeit mit Abenteuer Alpen die Skitourentage 2019. Mehr dazu und weitere Reportagen unter www.abenteuer-alpen.eu im Internet. Unter der Adresse www.hotel-innerhofer.com gibt es alle Infos zum Hotel.