Grenzenlos

Wer das Kleinwalsertal als Skitourenregion einmal für sich entdeckt hat, kommt immer wieder

von Steffen Müller

In Baad, am hintersten Ende des Kleinwalsertals, hört die Welt auf. Am Kreisverkehr geht es nicht mehr weiter. Scheinbar. Zumindest nicht auf befestigten Straßen. Für alle, die sich gerne Felle auf die Ski oder das Splitboard ziehen, fängt der Spaß hier so richtig an. Rund um das Widderstein-Massiv, das den Talschluss überragt, warten Tourenmöglichkeiten en masse. Die Auenhütte am Hohen Ifen ist ein weiterer Ausgangspunkt für zahlreiche Walsertaler Tourenhighligts.

Wer von der A 7 an einem sonnigen Wintertag zum ersten Mal in Richtung Oberstdorf abbiegt, oder ganz entspannt mit dem Zug ins Tal rollt, dem bleibt unter Garantie die Spucke weg. Aus der Voralpenlandschaft erheben sich im Hintergrund der Allgäuer Hauptkamm und die weiß funkelnden Gipfel der Walsertaler Berge – eine Landschaft wie im Bilderbuch. Mit jedem Meter, den es dann von Oberstdorf über die Landesgrenze an der Walserschanz weiter ins Tal geht, mit jedem Höhenmeter, taucht man weiter ins Winter-Wunderland ein – und je weiter es in Richtung Talschluss geht, desto ruhiger geht es zu. Das Gute liegt hier wirklich nah.

Vier Tage im Kleinwalsertal - der Fahrplan zum Tourenglück

 

Tag 1

Warm-up ohne Aufstieg – vom Walmendingerhorn (1946 Meter) zum Ifenskigebiet und zurück
Ideale Runde für den Anreisetag und locker an einem halben Tag machbar. Aufstiege sind hier nicht das Thema, schwere Oberschenkel kann es trotzdem geben. Ausgangspunkt dieser Freeride-Runde ist die Talstation der Walmendingerhornbahn. Die Gondel bringt einen auf 1946 Meter Höhe. Oben genießt man vor der Hora-Bar auf der Terrasse am besten erst mal die grandiose Aussicht auf die Gipfel der Umgebung – und bereitet sich bei einer Tasse Kaffee auf eine wunderbare Variantenabfahrt bis zur Talstation der Ifenbahn vor.
Hierzu verlässt man die Piste nach wenigen Metern in nordöstlicher Richtung. Durch kupiertes, abwechslungsreiches Gelände geht es in Richtung Obere Walmendinger Alpe. Sichere Verhältnisse sind wegen der steilen Flanken im Osten Grundvoraussetzungen für diese Route. Weiter geht es rechts der Alpe auf einem Fahrweg (Vorsicht bei wenig Schnee) bis zur einer größeren Lichtung. Von dort bis zum Parkplatz der Ifenbahn. Zurück gelangt man zunächst mit dem Pendelbus bis zur Fuchsfarm und mithilfe der Tallifte zum Ausgangspunkt an der Walmendingerhornbahn.
Dort empfiehlt sich die Einkehr in der wohl gemütlichsten Schirmbar Österreichs. Dröhnende Boxen gibt es hier nicht, dafür zwei tiefenentspannte Gastgeberinnen, die das Schirmcafé Bäraweid, wie es offiziell heißt, auf sehr angenehme Art schmeißen.

Höhenmeter Aufstieg:
0 (komplett mit Liftunterstützung)
Höhenmeter Abfahrt: 666 (Variante) + einige Höhenmeter auf der Piste
Höchster Punkt: 1946 Meter
Technik: ***
Kondition: **

Tag 2

Auf geht’s - durch das Schwarzwassertal aufs Grünhorn (2039 Meter)
Der erste echte Tourentag startet an der Talstation des Ifenskigebiets (auf 1280 Meter). Autofahrer parken etwas unterhalb an den Tourengeher-Parkplätzen (gegen Gebühr) am Schwarzwasserbach. Die Piste lässt man rechts liegen und geht zunächst relativ eben über einen Winterwanderweg ins Schwarzwassertal – das Grünhorn bereits im Blick. Weiter geht es flach durch das romantische Tal über die Galtöde, vorbei an der Melköde, dann steiler zur Schwarzwasserhütte der Sektion Schwaben des DAV auf 1620 Meter. Einkehr wärmstens empfohlen. Gestärkt geht es an der Nordflanke hoch zur Ochsenhofer Scharte (1850 Meter) und schließlich auf den Gipfel des Grünhorns. Abfahrt je nach Können und Verhältnissen wie Aufstieg oder aber direkt über den steilen Nordhang. Im oberen Bereich warten breite Hänge, weiter unten wird die Abfahrt je nach Routenwahl anspruchsvoller. Ins Tal geht es schließlich über den Wanderweg. Je nach Unterlage muss man hier etwas schieben. Zum Abschluss des Tourentages wartet die Auenhütte mit lässigem Ambiente und wunderbarer Aussicht.

Höhenmeter Aufstieg: 865
Höhenmeter Abfahrt: 865
Höchster Punkt: 2039 Meter
Technik: **
Kondition: ***

Tourenbeschreibung auf alpenvereinaktiv.com

Tag 3

Schattig schön – über das Karlstor (2100 Meter) in den Powder
Ganz am Ende, am Kreisverkehr in Baad, geht es ins Bärgunttal. das dem gleichnamigen Bach folgt. Hier teilt man sich den Weg noch mit Wanderern, ehe man sich in die steileren Hänge verabschiedet, in denen meist mehr als genug Schnee liegt. Wer staubigen Tiefschnee liebt, schattige Hänge und steile Aufstiege nicht scheut, der biegt vom ebenen Wanderweg im Bärgunttal relativ früh nach links ab. Hier geht es hoch zum Karlstor. Einen Gipfelsieg kann man auf der Scharte zwischen Großem und Kleinem Widderstein zwar nicht feiern, beeindruckend ist der immer steiler werdende Aufstieg zwischen den Felsriesen allemal. Die letzten Höhenmeter fordern in einer schattigen Rinne je nach Schneelage noch mal Energie und eine saubere Spitzkehren-Technik. Der Lohn der Mühen erschließt sich oben angekommen gleich auf mehrfache Weise. Zunächst einmal versöhnt der Blick auf den Elfer und die anderen Gipfel der Umgebung – vor allem aber der auf die Abfahrt ins Gemsteltal. Die liegt praktisch den ganzen Winter im Schatten, ist ordentlich steil (Vorsicht Lawinen!) und herrlich lang – über 900 Höhenmeter schwingt man vom Karlstor die immer weiter werdenden Nordosthänge hinab. An der nicht bewirtschafteten Gemstelalpe kann man die brennenden Oberschenkel abkühlen lassen und – so sie denn scheint – auch wieder Sonne tanken. Von hier geht es durch wunderbare Natur wieder in Richtung Zivilisation. Zum Ausgangspunkt gelangt man entweder über die Langlaufloipe – oder aber mit einem der Busse.

Höhenmeter Aufstieg: 960
Höhenmeter Abfahrt: 960
Höchster Punkt: 2100 Meter
Technik: ***
Kondition: ****

Tourenbeschreibung auf alpenvereinaktiv.com

Tag 4

Wilde Nummer – auf den Elfer-Ostgipfel (2328 Meter)
Das östliche Nachbartal zum Gemsteltal ist das Wildental. Hier, genauer gesagt am Bergheim Moser, beginnt die Tour auf den Elfer-Ostgipfel. Der Name des Tals ist Programm. Wenn man die ersten Meter zur Fluchtalpe aufsteigt, fehlt zunächst jede Idee, wie man über den beeindruckenden Felsriegel direkt voraus kommen soll. Steile Abbrüche, gefrorene Wasserfälle, enge Rinnen, aber kein Weg in Sicht. Doch es gibt ihn. Der Aufstieg ist zwar steil und beeindruckend, aber technisch nicht problematisch. Auf 1775 Meter ist die Stufe geschafft und der Blick schweift über ein traumhaft schönes Hochtal. Die Hintere Wildenalpe ist der optimale Ort, um die Kulisse bei einer Rast auf sich wirken zu lassen. Weiter geht es über die Hochebene, auf den Rücken unterhalb der Felswand und in eine große Mulde. Von hier aus wählt man eine der beiden Rinnen für den Aufstieg zum Elfer-Ostgipfel aus. Abfahrt wie Aufstieg, bzw. durch die jeweils andere Mulde. Bei der Abfahrt ist sicheres und exaktes Skifahren nötig. Abschluss der Tour im Bergheim Moser, bei wunderbarem selbst gemachtem Kuchen und Kaffee oder in Riezlern in der Cantina Vertical. So macht man sich gestärkt auf die Heimreise – oder besser, man bleibt noch eine Weile. 
Höhenmeter Aufstieg: 1262
Höhenmeter Abfahrt: 1262
Höchster Punkt: 2328 Meter
Technik: ****
Kondition: ****

Tourenbeschreibung auf alpenvereinaktiv.com

Infos

Perfekte Verbindung

Busse verkehren für die Gäste im Kleinwalsertal gratis. Wer erst mal angekommen ist, kann sein Auto definitiv stehen lassen und kommt bequem zu praktisch jedem Ort im Tal und auch wieder zurück – und zwar in einem Takt, über den sich die meisten Stadtbewohner zu Hause freuen würden.

Das Tal

„Funktionelle Enklave“ ist der sperrige Fachbegriff für die besondere Lage des Kleinwalsertals.  Das rund 12 Kilometer lange Tal gehört zum österreichischen Vorarlberg. Und würde man hinter Baad, dem letzten Weiler des Kleinwalsertals, einfach geradeaus weitergehen, an der Bärgunthütte vorbei und über den Widderstein, man käme nach ein paar Stunden in Warth-Schröcken in Vorarlberg an. Mit dem Auto aber, oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ist das Tal nur von Deutschland, von Oberstdorf im Allgäu aus, zu erreichen.

Die Walser

Die Walser sind Nachfahren von armen Bauern aus dem Schweizer Kanton Wallis, die sich auf die Suche nach neuem Weideland und Überlebensmöglichkeiten auf den Weg machten und in Riezlern, Hirschegg und Mittelberg ihre neue Heimat fanden. Fragt man einen Einwohner heute, als was er sich fühlt, was er ist, wird er in den meisten Fällen sagen: Zuerst bin ich Walser und dann Österreicher.

 

Übernachtungs-Tipps           

Naturhotel Chesa Valisa
Als gestricktes Holzhaus ist das 1507 erbaute Stammhaus in Hirschegg in seinem Kern immer noch das traditionelle Walserhaus. Klaus und Sieglinde Kessler formten daraus nach ihrer Übernahme im Jahr 1985 das Naturhotel Chesa Valisa, in dem es den Gästen garantiert an nichts fehlt.
www.naturhotel.at
Preis: ab 118 € / Person im Doppelzimmer inklusive Bio-Vitalpension

Genuss- und Aktivhotel Sonnenburg
Die Sonnenburg oberhalb von Riezlern fährt ihren eigenen Stil, steht für selbstbewusste Architektur und für ein Design, bei dem Tradition und Moderne perfekt harmonieren. In der fast 100 Jahre alten Bauernstube kann man einen erlebnisreichen Tag wunderbar ausklingen lassen.
www.genuss-aktivhotel.com
Preis: ab 103,50 € / Person im Doppelzimmer inklusive Verwöhn-Halbpension

Gasthof Hörnlepass
Auf 1159 Meter oberhalb von Riezlern bietet das Kräuterhotel Alpengasthof Hörnlepass authentisches Ambiente, äußerst schmackhafte Küche und schöne Zimmer.
www.hoernlepass.at
Preis: ab 50,50 € / Person im Bergsteiger-Zimmer (WC auf dem Flur) mit Halbpension ab 61,50 € / Person im Doppelzimmer mit Halbpension.

Schwarzwasserhütte
Die Schwarzwasserhütte der DAV-Sektion Schwaben ist ein idealer Stützpunkt für zahlreiche Skitouren-Klassiker. Die Lage zwischen Ifen, Steinmandl und Hohem Ifen ist atemberaubend.
www.schwarzwasserhuette.com
Preis: ab 45 € im Mehrbettzimmer mit Halbpension (für DAV-Mitglieder), Nichtmitglieder ab 56 €