Sicherheitsreserve: Lawinen-Rucksäcke

Abenteuer Alpen stellt die Systeme vor - Tipps von Bergführer Tom Regelmann

von Steffen Müller

Lawinen-Rucksäcke gehören inzwischen für viele Skifahrer und Boarder, die außerhalb gesicherter Pisten unterwegs sind, dazu. Im Fall der Fälle können sie die Verschüttungstiefe verringern oder eine Komplettverschüttung sogar verhindern. Einige Systeme mildern auch mechanische Einwirkungen bei Felskontakt oder schwerem Schnee ab. Beides trägt dazu bei, dass die Überlebenschance bei Lawinenunfällen steigt.

Eine geringere Verschüttungstiefe beschleuningt das Finden der Betroffenen und spart wertvolle Zeit. Der Schutz vor mechanischen Einwirkungen kann schwere Verletzungen im Kopf-, Nacken-, und Oberkörperbereich verhindern.

Die Systeme werden immer vielfältiger. Abenteuer Alpen stellt die verschiedenen Typen vor. Berg- und Skiführer Tomas Regelmann aus Calw hatte die verschiedenen Rucksäcke im Einsatz und kennt Vor- und Nachteile.

ABS:

Der Pionier im Bereich der Airbag-Rucksäcke bietet eine so genannte Base Unit an, also eine Rucksack-Basis mit Trage- und Airbag-System, auf die entweder ABS-Zip-Ons oder solche anderer Hersteller wie beispielsweise Evoc, Ortovox oder Vaude passen. Diese Zip-Ons, gibt es in verschiedenen Grüßen - vom kleinen 8-Liter Daypack bis zum ausgewachsenen Rucksack für Mehrtages-Touren.
Die ABS TwinBags haben ein Volumen von 170 Litern
Funktionsweise: Druckgaspatrone aus Stahl oder Carbon. Nach Auslösung muss auch der Griff ausgetauscht werden (gesamte Auslöseeinheit).
Tom Regelmann: "ABS baut seit vielen Jahren zuverlässige Lawinenrucksäcke. Die Technik hat sich über Jahrzehnte bewährt und funktioniert. Ein weiterer Vorteil ist das große Angebot an Zip-Ons verschiedener Hersteller."


Mammut R.A.S. und P.A.S.:

Von Mammut gibt es zwei Systeme. Das Removable Aribag System (R.A.S) und das Protection Airbag System (P.A.S.)

Das Removable Airbag System (R.A.S.) kann, wie der Name schon sagt, aus dem Rucksack - zum Beispiel im Sommer - aus- oder in einem anderen R.A.S.-fähigen Rucksack von Mammut und weiteren Herstellern eingebaut werden. Der Ballon wird hinter dem Kopf aufgeblasen und bietet keinen speziellen Schutz gegen mechanische Einwirkungen. Das System ist relativ leicht und vergleichsweise günstig.
Der Airbag hat ein Volumen von rund 150 Litern
Funktionsweise: Druckgaspatrone aus Stahl oder Carbon, nicht wiederbefüllbar, Alupatrone wiederbefüllbar
Tom Regelmann: "Das System ist leicht, klein, kompakt und ausgereift."

Das Protection Airbag System (P.A.S.) bietet zusätzlich Schutz vor mechanischen Einwirkungen auf Kopf, Nacken und Brust. Der Airbag entfaltet sich praktisch rund um den Körper und soll zudem helfen, den Kopf an der Oberfläche zu halten.
Der Airbag hat ein Volumen von rund 150 Litern
Funktionsweise: Druckgaspatrone aus Stahl oder Carbon, nicht wiederbefüllbar, Alupatrone wiederbefüllbar
Tom Regelmann: "Dieses System bietet meiner Meinung nach den größten Schutz. Mechanische Einwirkungen sind bei Verschüttungen ein enorm wichtiges Thema, deshalb halte ich den Ansatz beim P.A.S. für sinnvoll."


Alpride von Scott/Millet

Das System ist leicht und relativ günstig. Der Airbag bläst sich hinter dem Kopf auf. Das Besondere sind die zwei kleinen Patronen, die zuverlässig funktionieren und dazu noch relativ günstig sind. Außerdem ist eine Mitnahme im Flugzeug relativ problemlos möglich.
Der Airbag hat ein Volumen von rund 150 Litern
Funktionsweise: Zwei kleine Druckggaspatronen, nicht wiederbefüllbar aber relativ günstig.
Tom Regelmann: "Das System finde ich vor allem mit dem sehr guten Millet-Rucksack für äußerst interessant. Zudem ist es für alle, die gerne mit dem Flugzeug unterwegs sind, eine interessante Alternative."


Jetforce von Black Diamond/Pieps

Der größte Airbag auf dem Markt und keine Kartuschen für die Auslösung. Das System funktioniert mit einem Akku-Gebläse und pumpt die Luft drei Minuten nach der Auslösung wieder ab, was im Fall einer Totalverschüttung für eine große Atemhöhle sorgt. Allerdings ist das System schwer und teuer - was allerdings dadurch relativiert wird, dass keine Kartuschen gekauft und getauscht werden müssen.
Der Airbag hat ein Volumen von rund 200 Litern
Funktionsweise: Akku-betriebenes Düsengebläse, das den Airbag in rund 3,5 Sekunden füllt, keine Patronen oder Kartuschen. Eine Akku-Ladung reicht für mehrere Auslösungen.
Tom Regelmann: "Ein sehr interessantes System, das viele Vorteile bietet - unter anderem ist es ideal für die Mitnahme im Flugzeug. Es funktioniert gut, ist mehrfach verwendbar aber relativ teuer. Der Akku ist aus meiner Sicht ein kleiner Nachteil, weil er regelmäßig geladen werden muss."


Das Fazit vom Experten:

"Letztlich kommt es immer darauf an, wofür man die Systeme einsetzen will. Zuverlässig sind sie meiner Meinung nach alle. Ich persönlich habe zwei Favoriten. Zum einen den Mammut Ride Protection Airbag Rucksack wegen der Schutzfunktion gegen mechanische Einwirkungen, zum anderen den Deuter OnTop ABS, weil er mit seinem Tragekomfort voll und ganz überzeugt. Ganz entscheidend ist meiner Meinung nach, dass man einen Airbag-Rucksack beim Fachhändler kaufen sollte. Nur so ist die entsprechende Wartung und Beratung möglich."

Infos

Zu den Herstellern:

www.abs-airbag.com

www.mammut.ch

www.scott-sports.com

www.pieps.com

 

Mehr zum Thema Sicherheit und Lawinenrucksäcke gibt es unter anderem bei Toms Bergsport in Calw.

www.toms-bergsport.de

Kurse zur Beurteilung der Lawinwengefahr, zum richtigen Lesen des Lawinenlage-Berichts, dem Umgang mit LVS-Gerät, Sonde und Schaufel sowie zur richtigen Routenwahl bieten unter anderem die Alpinschule Bergfühlung in Calw - www.bergfuehlung.de, der Deutsche Alpenverein, Sektion Schwaben: www.alpenverein-schwaben.de und viele weitere Bergschulen und DAV-Sektionen an.