Der Jäger des Augenblicks

Extrem-Kletterer Stefan Glowacz im Interview

Stefan Glowacz ist Profi-Bergsteiger, Extrem-Kletterer und Abenteurer. Der 51-Jährige hat seine große Leidenschaft zum Beruf gemacht und auf seinen Expeditionen eine Menge erlebt. Erst im vergangenen Jahr ging es zur perfekten Wand am Ende der Welt. Auf Baffin Island, westlich von Grönland transportierte Glowazc, gemeinsam mit Robert Jasper Ausrüstung und Verpflegung für über einen Monat in eine der menschenfeindlichsten Regionen, um eine Erstbegehung einer gigantischen Granitwand zu klettern. Abenteuer Alpen hat mit Stefan Glowacz über die Gefahren auf einer Expedition, seinen inneren Antrieb und den Lohn nach zehn Stunden Plackerei gesprochen. 

Abenteuer Alpen: Herr Glowacz, Sie legen Wert darauf, bei ihren Expeditionen autark unterwegs zu sein. Was steckt dahinter?

Glowacz: Bei diesen Expeditionen erfülle ich mir jedesmal einen Kindheitstraum. Bevor ich zu Klettern anfing, faszinierten mich seit meiner frühesten Kindheit Abenteurer wie Scott, Nansen oder Shackleton. Bei meinen Expeditionen vereine ich den Hochleistungsaspekt beim Klettern mit dem Abenteuer, um aus eigener Kraft vom letzten Zivilisationspunkt aus völlig autark eine Wand zu erreichen. 

Abenteuer Alpen: Wie bereiten Sie sich körperlich auf neue Herausforderungen vor?

Glowacz: Ich versuche jeden Tag zu trainieren. Entweder Klettertraining oder vor einer Expedition verstärkt Ausdauer. Für Baffin Island habe ich mich darüber hinaus vor allem mental auf das lange Ausgesetzt sein in einer menschenfeindlichen Umgebung vorbereitet, aber auch auf das körperliche Leiden und Entbehren.

Abenteuer Alpen: Wie gehen Sie mit dem Risiko um, das Ihre Expeditionen beinhalten?

Glowacz: Ich war immer schon ein sehr vorsichtiger Kletterer und Abenteurer. Mal abgesehen von meiner Sturm- und Drangzeit als Jugendlicher. Damals bin ich sehr viel Free Solo geklettert. Aber auch da glaubte ich sicher unterwegs zu sein weil ich mir eingebildete, jede Situation kontrollieren zu können. Das war ein Trugschluss für den ich einen hohen Preis zahlen musste als mir bei einer Trainingsroute ein Griff ausbrach und ich aus zehn Meter Höhe auf den Boden stürze und mich schwer verletzte. Aber natürlich bleibt auch bei meinen Expeditionen immer ein Restrisiko bestehen. Darin liegt der Reiz des Aufbrechens in unbekannte Regionen.

Abenteuer Alpen: Wann ist es denn auf Ihren bisherigen Expeditionen wirklich gefährlich geworden?

Glowacz: Als ich mich mit meinen Partnern für eine Expedition in die Antarktis vorbereitete, kam ich bei einer Trainings- Eisklettertour kurz unterhalb des Gipfels in eine Lawine. Ich wurde dreihundert Höhenmeter eine steile Rinne hinuntergespült und flog immer wieder über Abbrüche. Kurz bevor die Lawine über einen dreihundert Meter tiefen Abbruch in die Tiefe stürzte, spuckte sie mich aus. Auch da habe ich mich wieder schwer verletzt, aber zumindest habe ich überlebt. Fehleinschätzungen sind mit Sicherheit der größte Risikofaktor bei einer Expedition, selbst für einen sehr erfahrenen Abenteurer.

Abenteuer Alpen: Was treibt Sie an, bis an Ihre körperlichen Grenzen zu gehen?

Glowacz: Ich muss nicht an meine Grenzen gehen, ich gehe freiwillig. Keiner zwingt mich, es ist einzig und allein meine Entscheidung. Ich muss mich spüren, erleben. Ich bin davon überzeugt, umso größer die Entbehrungen und die Anstrengungen auf dem Weg zu seinem Ziel, umso intensiver die Augenblicke und die Befriedigung sein Ziel, trotz größter Schwierigkeiten erreicht zu haben. Diese Momente sind dann so intensiv, dass ich sie nie mehr in meinem Leben vergessen werde. Diese Momente bedeuten für mich den wahren Reichtum im Leben. Eigentlich bin ich ein Jäger des Augenblicks

Abenteuer Alpen: Was ist für Sie ein solcher Moment?

Glowacz: Das kann absolut banal sein. Wenn du nach zehn Stunden Schlepperei endlich das Zelt aufgebaut hast, den Eisbärenwarnzaun installiert und Schnee für die Zubereitung deiner Ration Trockennahrung geschmolzen hast, dann sitzt du auf deiner Expeditionstonne bist hundemüde und plötzlich fällt ein Lichtstrahl durch die Wolkendecke auf einen Gipfel am Horizont und allein dieser Moment entschädigt für alle Mühen und Strapazen. Es gibt in diesem Moment keinen schöneren Platz an dem du sein möchtest.

Abenteuer Alpen: Welche Kletter-Projekte oder Expeditionen sind als nächstes angedacht?

Glowacz: Oh, da sind noch einige. Aber ich möchte nicht zu viel verraten da wir im Moment in der Planungsphase für nächstes Jahr stecken. Eines kann ich jedoch verraten, es geht wieder in die Kälte.