Spektakuläre Route mit spannender Geschichte

Die Timmelsjochstraße

von Tim Schweiker

Was für ein Panorama: Die mächtigen, schneebedeckten Gipfel der Texelgruppe ragen in den blauen Himmel, am Rand des immer schmaler werdenden Passeiertals, schlängelt sich die Timmelsjochstraße Höhenmeter um Höhenmeter hinauf bis auf 2509 Meter. Mit Sicherheit eine der spektakulärsten Hochalpenstraßen.

Das Timmelsjoch ist die tiefste unvergletscherte Kerbe zwischen Reschenpass und Brenner. Der Weg vom Passeiertal in Südtirol ins Ötztal ist mit Sicherheit schon in vorchristlicher Zeit begangen worden, benutzt haben aber wohl auch schon steinzeitliche Hirten den Übergang. Ein uralter Weg also, der lange Zeit als kürzeste Verbindung zwischen dem oberen Inntal und der früheren Tiroler Hauptstadt Meran jahrhundertelang Bedeutung hatte und im Mittelalter seine Blütezeit erlebte. Die Ötztaler Kraxenträger transportierten 100 Kilogramm auf dem Rücken und lebten vom Transport von von Flachs, Vieh, Speck und Schmalz, Wein, Branntwein und Essig.

Bis aus dem uralten Saumpfad eine Straße wird, vergeht viel Zeit. Schon 1897 will der Tiroler Landtag mehrere Alpenüberquerungen bauen, darunter auch eine Straße über das Timmelsjoch. Es kommt ganz anders: Der Erste Weltkrieg macht das Timmelsjoch zur Staatsgrenze.

Anfang der 50er Jahre erweckt der Ötztaler Angelus Scheiber den Traum von der Timmelsjochstraße zu neuem Leben. Der Tourismuspionier hat eine Vision: „Mittags Skilauf auf den Ötztaler Gletschern und nachmittags Entspannung unter Palmen in Meran“.

Am 30. Oktober 1955 ist Spatenstich für das Jahrhundertprojekt, dessen Finanzierung über eine eigens gegründete Gesellschaft später zum Vorbild für die Felbertauernstraße und die Brennerautobahn wird. Erstmals werden am Timmelsjoch Unimogs, Bagger und Lastwagen für den Straßenbau eingesetzt, vier Planierraupen graben sich am Tag durchschnittlich 150 Meter näher zum Joch.

Doch auch den Arbeitern wird alles abverlangt, sie erstellen mit Pickel, Schaufel und Schubkarren den Grund- und Oberbau der Straße. Gebaut wird zwischen Mai und November, doch selbst im Sommer gibt es immer wieder Wintereinbrüche. Umso erstaunlicher, dass die Straße innerhalb von vier Jahren und in nur 17 Monaten Netto-Bauzeit fertig wird. Am 17. Juli 1959 wird die Straße zum Joch eröffnet.

Weiter nach Südtirol geht es aber damals noch nicht. Obwohl es auf der steilen Südseite hinunter ins Passeiertal schon eine Militärstraße gibt, die Mussolini hatte bauen lassen, dauert es noch bis zur Eröffnung der Nord-Süd-Verbindung noch bis 1968.

Heute ist die Straße auf beiden Seiten sehr gut ausgebaut und zur touristischen Attraktion geworden. An manchen Wochenenden schlängelt sich eine schier endlose Reihe von Motorrad- und Autofahrern über das Timmelsjoch.

Gut, dass man zwischendurch anhalten kann. An mehreren Haltepunkten informieren Architektur-Skulpturen als so genannte „Timmelsjoch-Erfahrung“ über Natur, Geschichte, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft der Region. So eröffnet sich beispielsweise an der Station „Steg“ bei der Mautstation in Hochgurgl nicht nur ein tolles Panorama mit dem hinteren Ötztal und seinen Dreitausendern. Man lernt auch noch etwas über den Obergurgler Zirbenwald oder die die Siedlungsgeschichte im hochalpinen Raum.

Dort, wo die Straße den Urweg von Zwieselstein nach Moos in Passeier kreuzt, steht der Kubus „Schmuggler“: Ein begehbarer Würfel, der in die Welt des Schmuggels über das Timmelsjoch führt.

An einem der schönsten Aussichtspunkte der Ötztaler Alpen steht in 2175 Meter Seehöhe der „Top Mountain Crosspoint“, den man heute offenbar nicht anders nenne kann. Neben einem Restaurant mit schöner Panoramaterrasse, ist hier auch Europas höchstes Motorradmuseum zu finden.

Ob man das alles braucht, muss jeder für sich entscheiden. Die wahre Hauptrolle spielen hüben wie drüben ohnehin die Berge.

Infos

Die Timmelsjochstraße ist in der Regel von Mitte/Ende Mai bis Mitte Oktober tagsüber von 7 bis 20 Uhr befahrbar. Mit dem PKW kostet die einfache Fahrt derzeit 16 Euro. Die genauen Öffnungszeiten hängen von der Wetterlage ab. Weitere Informationen gibt es unter www.timmelshoch.com im Internet.